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Vortrag zu Alfons Hochhauser

von Hans – Bernhard Schlumm

Das abenteuerliche Leben des Alfons Hochhauser als Stoff in der deutschen und griechischen Literatur

Die außergewöhnliche Biographie des Alfons Hochhauser, der 1906 in Judenburg bei Graz geboren wurde, prägt ein unbändiger Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit. Schon in seiner Jugend hält er es nicht mehr in der Enge seiner Heimat aus und er zieht in die Ferne. Mit sechzehn Jahren beginnt er eine zweijährige Wanderschaft um das Mittelmeer. Vagabundierend tippelt er durch Italien, Frankreich, Spanien, Tunesien, Ägypten bis nach Palästina. Oft leidet er bohrenden Hunger und wird durch skrupellose Menschen ausgenutzt und bestohlen. Er schlägt sich mit allen möglichen Gelegenheitsarbeiten durch. Aber nach zwei Jahren erduldetem Elend kehrt er wieder in seine Heimat zurück. Aber dort hält es ihn wieder nur ein paar Wochen.

Mit Unterstützung seiner Eltern erwirbt er eine Filmkamera, und es bestand der Plan, mit drei Freunden, zu denen auch der heutzutage fast vergessene Schriftsteller Ernst Kreuder gehört, Werbefilme in Griechenland zu drehen. Das Unternehmen scheiterte ruhmlos, aber Hochhauser fand bei einer Reise seine neue Wahlheimat, den Pilion, eine gebirgige Halbinsel bei der Hafenstadt Volos in Thessalien.

„Und in den folgenden zwei Jahren, 1924 und 1925, gründeten wir eine Filmgesellschaft in Thessaloniki. Eine Zeitspanne des Dolce Vita und weniger der Arbeit. Mein Leben rettete mir eine Bootsfahrt zu der Küste des Pilion. Damals sah und verliebte ich mich in diese Landschaft.“ ( Kostas Akrivos s. 147)

Im Sommer 1926 lässt er sich in seiner neuen Wahlheimat, dem Pilion, nieder. „Im Sommer 1926 schlendert ein hochaufgeschossener, schlanker, junger Mann, kaum zwanzigjährig, mit einem Adlerblick, stolzen Schrittes mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem Fotoapparat in der Hand durch die Gassen und über die Hafenpromenade von Volos. Gerade dämmert es. Nachdem er ein bescheidenes Mahl in einer Fischtaverne im Viertel von Aghios Konstantinos zu sich genommen hat, geht er umgehend zu seinem Hotel unter den Sternen und findet Unterkunft in einem verlassenen alten Kahn. Er hält sich ungefähr eine Woche in Volos auf, sieht sich in der Stadt um, und nimmt dann den Weg in den Pilion.“ (Kostas Akrivos s. 19 – 20). Dort arbeitete er zuerst als Schweinehirte und später eröffnete er die berühmt gewordene Raubfischertaverne. Die Zeche wird mit Fischen bezahlt. Hochhauser trägt die Fische in fünfstündigen Gewaltmärschen über das Piliongebirge bis hinunter in die Hafenstadt Volos, um sie dort auf dem Markt zu verkaufen. Am selben Tag kehrt er auch wieder zurück. Ab dem Sommer 1929 ist er in Diensten des jähzornigen und gewalttätigen Dynamitfischers Psarothanassis. „Seit jenem Tag war ich sein Gefangener. Er brauchte mich beim Fischen mit Dynamit. ….. Ich arbeitete wie ein Sklave. Nach langer Zeit verließ er mich an der Küste von Aghiokampos. Aus dieser Geschichte entstand ein Buch und später ein Film.“ (Kostas Akrivos s.140) Später erwirbt er ein Fischerboot, das ihm Wohnung und Mittel zum Broterwerb ist.

„ 1924 – 1938: 15 Jahre Ferien. Ein sorgloses Leben ohne konkreten Plan und Ziel, ohne größeres Interesse an den wichtigen Ereignissen, die ich gar nicht zur Kenntnis nahm und die mich deshalb auch nicht beschäftigten. Ich hatte mein Fischerboot, lebte vom Fischfang und von gelegentlichen Transporten.“ (Kostas Akrivos s. 95) Aber dennoch muss er 1938 Griechenland als unerwünschter Ausländer verlassen. Er kommt zu einer Dolmetschereinheit der Wehrmacht, da er ja sehr gut Griechisch spricht. Ein Glücksfall verhilft ihm schon bald wieder in das geliebte Griechenland zu kommen. Der Wiener Unterwasserpionier Hans Hass bereitet eine Tauchexpedition in die Ägäis vor und er hat in Erfahrung gebracht, dass der Held in Werner Helwigs erfolgreichen Roman „Die Raubfischer in Hellas“ in der Person des Alfons Hochhauser, der die Ägäis in jener Region des Pilion wie seine Westentasche kennt, tatsächlich existiert.  Hans Hass beschreibt seinen ersten Eindruck von ihm in seinem Buch Menschen und Haie: „ Der Mann sah wie eine knorrige Eiche aus. Hier stand ich einem ganzen Menschen gegenüber. Einem Mann, der die Natur und das weite, große Abenteuer des Lebens liebte und akkurat den Weg ging, der ihm gefiel. Kurzgeschoren und abgemagert, wie er war, sah er wie ein tuberkulöser Raubmörder aus; dabei hatte er die Allüren eines Parlamentspräsidenten. Jedes Wort, das er sprach, war von tiefem Gehalt.“ Hass heuert Hochhauser für die Expedition an, auch später in den 50er Jahren nimmt Hochhauser an einer Reihe von Expeditionen von Hans Hass teil.

Nach der Ägäisexpedition ist Hochhauser als militärischer Dolmetscher bei der Geheimen Feldpolizei in Griechenland tätig. „Der junge Mann, der stundenlang auf Fußpfaden durch die Wälder des Pilion meist halbnackt oder in abgerissener Kleidung gewandert war, kehrte jetzt in Uniform mit Hakenkreuz zurück. Nur mit der Kunst des listigen Verhaltens, wie Odysseus, hatte ich eine Chance, mich zu retten.“ (Kostas Akrivos s. 97 – 98) Im Roman von Kostas Akrivos wird die Frage, ob sich Hochhauser während seiner Tätigkeit als Dolmetscher schuldig gemacht habe, ausführlicher behandelt, wir werden weiter unten darauf zurückkommen.

In den letzten Kriegstagen kehrt er in seine Heimat zurück und kommt für eine längere Zeit in ein britisches Internierungslager. Von 1950  bis 1956 nimmt er an allen Expeditionen von Hans Hass teil. Im Jahre 1956 taucht er wieder in Griechenland auf. 1957 mietet er auf der Insel Paleo Trikeri, die an der Südspitze der Pilionhalbinsel, liegt ein altes Kloster, das er zu einer alternativen Herberge umbaut. In einer griechischen Zeitschrift heißt es dazu Anfang der 60er Jahre: „ Mit der Anmietung und dem Umbau des Klosters verfolgte er die Absicht, eine Herberge für Touristen zu schaffen, die ruhige Ferien weitab vom Lärm des Massentourismus verbringen wollen. In das Kloster haben die Errungenschaften der technischen Zivilisation keinen Eingang gefunden. Es gibt weder Strom noch fließend Wasser. …. Keine Spur von Nylon oder Plastik belästigt das Auge. …. Alle sind willkommen, die ihre Wurzeln nahe der Mutter Natur suchen. Alfons ist nicht an materiellem Gewinn interessiert. Ihn beherrscht der Wunsch, die Gäste mögen sich an denselben Dingen erfreuen wie er: dem Meer, der Sonne, dem Licht und der Stille.“ (Kostas Akrivos s. 78) Mit dieser Herberge und vielen Projekten, die er vorhatte, zu einem Pionier des sanften Tourismus. Im Alter von 75 wählte er den Freitod, da er an unheilbaren Kehlkopfkrebs litt. Im Januar 1981 steigt er auf den Berg Koromilia und wählt dort den Tod durch Erfrieren.

Der Schriftsteller Werner Helwig (1905 – 1985) lernte Hochhauser im Jahre 1928 bei einem Treffen der Wandervögel kennen. In den Jahren 1935, 1937 und 1938 hielt er sich mehrere Wochen bei Hochhauser auf.

 

Der Schriftsteller Werner Helwig gehört heute schon zu den vergessenen Literaten des 20. Jahrhunderts, keine seiner zahlreichen Publikationen ist heute noch auf dem Buchmarkt erhältlich. Bei meiner Suche in zahlreichen Münchener Antiquariaten im Dezember 2012 fand ich nach intensiver Suche nur ein Buch von ihm. Das war nicht immer so. In den 50er und 60er Jahren war seine Hellas Trilogie ( Raubfischer in Hellas 1939, erlebte 14 Auflagen zuletzt 1991 bei Reclam UB  8684 ; Im Dickicht des Pelion  1941, 4 Auflagen zuletzt auch 1991 bei Reclam UB 8705; Reise ohne Heimkehr 1953, 2 Auflagen) eine Art Kultbuch für Griechenlandreisende*. Das waren damals in der Mehrheit die sogenannten Individualreisenden, die einzeln auf eigene Faust mit Rucksack oder mit bündischen Jugendgruppen Griechenland durchwanderten auf der Suche nach dem einfachen bukolischen Leben der Bauern, Fischer und Hirten auf dem Lande. Man suchte den Kontakt zur Landbevölkerung im damals noch bitterarmen Griechenland, erlebte trotz der noch nicht lange zurückliegenden Kriegs- und Besatzungserfahrungen der Bevölkerung  häufig eine sehr gastfreundliche Aufnahme.

Da wir die Kinder der früheren Feinde waren, wurde uns häufig von den Kriegsverbrechen unserer Väter erzählt. Uns stockte häufig der Atem, denn wir wussten damals davon nur sehr wenig . In den 6oer Jahre hatte gerade mit dem Auschwitzprozess, der literarischen Verarbeitung der jüngsten Vergangenheit  durch Schriftsteller wie Heinrich Böll, Peter Weiss u.a. und der Studentenbewegung eine Verarbeitung der faschistischen Vergangenheit begonnen. So hatten auch die schönsten Erlebnisse in Griechenland immer auch den bitteren Tropfen, ständig an die dunklen Kapitel deutscher Vergangenheit erinnert zu werden.

Von dieser dunklen Seite fanden wir in den abenteuerlichen Griechenlandromanen von Werner Helwig kaum etwas. Die erste Auflage seines erfolgreichsten Romanes erschien wie gesagt 1939, und während des Krieges erschienen noch 3 weitere Auflagen (eine davon sogar in der Soldatenbücherei, die von der Wehrmacht herausgegeben wurde). Dazu schreibt Helwig in einem Nachwort aus dem Jahre 1959:

„ Die Raubfischer entstanden in einer Zeit der sich entwickelnden und aufstrebenden Diktaturstaaten. Der Autor wollte in ihnen gewissen Warnungen in verhüllter Form zum Ausdruck bringen. Eine andere Möglichkeit, sich vor dem Forum der Gegenwart Gehör zu verschaffen, bestand für ihn nicht. Dass ein Buch, noch dazu ein Roman, die geringste der Handhaben dazu böte, war ihm klar. Trotzdem schien ihm nötig, seine Warnungen zu kaschieren, um nicht ein Verbot zu riskieren. Heute entfällt diese Zwangslage, denn wir leben vorübergehend diktaturfrei und die Raubfischer können so auftreten, wie sie urtextlich gemeint waren.“

Hier lohnt es sich zum besseren Verständnis der Texte ein wenig auf das Leben des Schriftstellers Werner Helwig einzugehen, denn schon sein unstetes Wanderleben bietet reichhaltigen Stoff, aus dem literarische Legenden gewebt werden können. Als junger Mann früh geschiedener Eltern, sehr begabt, aber ohne höheren Schulabschluss, gerät er in bohemehafte, fahrten- und literaturbewegte Kreise. Er macht eine Gärtnerlehre, besucht als Schwarzhörer Vorlesungen an der Hamburger Universität und kommt in den Kreis des Wandervogelverlegers Walter Serno. Im Jahre 1923 gerät er wegen einer Teilnahme an einer kommunistischen Demonstration in Haft. Erste Gedichte erscheinen 1924 in Zeitschriften des Wandervogels. In den nächsten Jahren unternimmt er ausgedehnte Wanderungen in Mittel- und Nordeuropa, er sucht Personen der literarischen Welt auf, wie Thomas Mann, Knut Hamsun und Rainer Maria Rilke. Ab 1927 beginnt eine Freundschaft mit dem bedeutenden Schriftsteller Hans Henny Jahnn, die erst mit Jahnns Tod im Jahre 1957 endet. Ab 1927 engagiert sich Helwig beim Nerother Wandervogel, dessen Sitz die Burgruine Waldeck im Hunsrück ist. Die lebensgeschichtlich so wichtigen Jahre von 1923 bis 1927 waren für Helwig eine Zeit der Orientierung und der Suche nach Leitbildern und Gemeinschaft. Er selbst charakterisiert sich als „Übriggebliebener aus einer  zerbrochenen Ehe“. (Parabel vom gestörten Kristall. Mainz 1977 S.9) Es ist die Zeit intensiver Beschäftigung mit Literatur und Kunst und Musik. Er liest Barlach, Mombert, Jahnn und Däubler. Weiterhin sucht er wie schon gesagt Kontakt zu bedeutenden Schriftstellern seiner Zeit. Wie sehr die Literatur in jenen Jahren Orientierungshilfe für Helwig wird, kann aus seinen Wanderungen ersehen werden, denn diese Wanderungen führen nicht nur zu bekannten Autoren, sondern sind auch literarischen Vorbildern nachempfunden:

„Ich war damals knapp 21, hatte mich eigenwillig von meinen Studien beurlaubt und trieb mich, mit Schnappsack und Teekesselchen auf dem Rücken, in der Welt herum, soweit sie sich als Europa bezeichnen ließ. Anlass dazu gaben Theodor Däublers Stromerberichte aus Paris, Jakob Harringers Schnorrerhymnen aus Kaffeekonditoreien, die Bücher von Hesse – Knulp insbesondere – von Hans Reisinger „Binschan der Landstreicher“, Hamsuns „Pan“ und Yeats „Wanderlehrer Rothanrahan“. Ich hatte mir vorgenommen, es diesen dichtenden und erdichteten Figuren gleichzutun, und war dazu noch davon überzeugt, dass ich ähnlichen Typen in irgendeiner Bettlerherberge, in einer aufgelassenen Scheune, oder Höhle, oder am Waldrand beim Lagerfeuerchen begegnen müsse, ja, dass mir der fehlende Zuhörer und Freund auf die Art zufallen würde.“ So beschreibt Helwig selbst in einem Artikel in der FAZ vom 8. April 1972 rückblickend diesen Lebensabschnitt.

1933 verlässt er Deutschland, gelangt über die Schweiz, Sizilien nach Tunis, dort wird er wegen Landstreicherei verhaftet, kommt frei, und gelangt dann nach Capri. Dort lernt er den Schriftsteller Theodor Däubler kennen, der sein Interesse für Griechenland weckt. Im Winter 1933/34 geht er nach Deutschland, um die Bündische Jugend nach der Gleichschaltung in der HJ überleben zu lassen. Der Plan scheitert, nach einer Verhaftungswelle in den Kreisen der bündischen Jugend flieht Helwig über die Schweiz wieder nach Capri.

In den Jahren 1935 - 1939 führt Helwig ein unstetes Leben, er ist ständig unterwegs. In diesen Zeitraum fallen auch seine Griechenlandreisen. Im Herbst 1935 besucht er für einige Wochen seinen Freund Alfons Hochhauser im Pilion, der ihm zum Vorbild seiner Clemensgestalt in den drei Romanen der Hellas Trilogie wird. Den Roman „Raubfischer in Hellas“ stellt er im Frühjahr 1936 fertig und er reist nach Deutschland, um ihn dort Verlagen anzubieten. Im Herbst – Winter 1938 führt ihn  seine 2. Griechenlandreise wieder zu Alfons Hochhauser, später im Frühjahr folgt seine 3. Griechenlandreise gemeinsam mit Alfons Hochhauser, die im Sommer auf Korfu endet.

Seit dem Kriegsausbruch lebt er erst in der Schweiz und später, da er ausgewiesen wird, in Lichtenstein. Trotz dieser lebensgeschichtlicher Daten lässt sich Helwig nicht als ein klassischer Emigrant bezeichnen, denn seine Bewegungsfreiheit innerhalb Europas mit der ständigen Möglichkeit zur Rückkehr nach Deutschland scheint zumindest bis zum Kriegsbeginn nicht eingeschränkt. Seine Erzählungen und Gedichte erschienen im Nazi -  Deutschland, obwohl er sich im Ausland aufhielt. Im Jahre 1942 erhielt er sogar einen Literaturpreis für seine Erzählung „Poseidons Wiederkehr“, und wie schon  gesagt erschien sein Roman „Raubfischer in Hellas“ ab 1939 in drei Auflagen, im Jahre 1943 sogar als Wehrmachtausgabe.

Drei mehrwöchige Griechenlandreisen und die Erzählungen und Aufzeichnungen seines Freundes Alfons Hochhauser sind der Stoff für Helwigs Hellas Trilogie. Wir wollen uns hier ein wenig nur mit dem ersten Roman „Raubfischer in Hellas“ beschäftigen.

Ein männlicher Ich-Erzähler reist auf Einladung eines alten Schulfreundes aus Deutschland nach Griechenland. Clemens, der alte Schulfreund( die literarische Gestalt von Alfons Hochhauser) lebt dort seit zehn Jahren. In dieser Zeit hat er es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Der Roman setzt drei Tage nach der Ankunft des Erzählers ein, der von den ersten Eindrücken überwältigt ist. Im ersten Teil des Romans erzählt Clemens seine Geschichte, wie er zu den Raubfischern gelangte. Ihr Raub besteht darin, dass sie illegal mit Dynamit fischen. In den Erzählpausen erlebt der Erzähler Clemens bei dessen alltäglichen Leben, Fischfang, Leben bei den Raubfischern und Fischverkauf. Gemeinsam bestehen sie am Ende des ersten Teils einen Sturm auf hoher See. Im zweiten Teil nehmen beide an einer Hochzeit im Dorf teil. Clemens berichtet von seiner Begegnung mit Psarothanassis und seinen Lehrjahren unter der Herrschaft dieses tyrannischen Fischers und vom Beginn seines selbständigen Fischerdaseins. Der Raubfischer beschäftigt sich mit Schmuggel und dem Verkauf antiker Kunstschätze. Er beginnt die Mitwisserschaft des Clemens zu fürchten und will sich seiner entledigen. Aber im Kampf erschlägt ihn Clemens. Er bemächtigt sich seiner Schätze und vergräbt sie. Er kauft sich ein eigenes Schiff und plant mit den Schätzen eine Fischereigenossenschaft zu gründen, um die Dynamitfischerei zu beenden.

Aus Helwigs literarischen Texten, sowie aus den Zeugnissen über ihn lässt sich feststellen, es handelt sich bei ihm um einen ethnographie-besessenen Romantiker, der dem Dritten Reich den Rücken kehrte.

Die Episode mit dem Herr – Knecht Verhältnis zwischen Psarathanassis und Clemens kann natürlich in ihrem Bezug zu despotischer Herrschaft der faschistischen Regimes der Zeit gelesen werden:

„Ein Stein, dick wie ein Rindsschädel, war mit furchtbarer Gewalt auf jene Stelle geschleudert worden, wo eben noch mein Ohr lag. Die Splitter umsprangen mich, flitzten mir um die Augen.

Der Alte stand über mir, hatte die Arme wie ein Wahnsinniger zum Himmel hochgestreckt und schrie: …..

Und meine Faust, die sich mit kaltfließender Härte füllte, traf wie von selbst seine Schläfe.  …… Er stürzte, lag mir zu Füßen. Mit ausgerenkten Zügen, vergehenden Gesicht, schlaff, von seinem Willen verlassen.

Und ich loderte empor in einem ungeheuren Triumph: den Sklaven in mir hatte ich zugleich mit ihm bezwungen. – In erzgegossener Einheit stand ich vor dem Meere, vor den Sternen und jubelte … jauchzte.“

Abschließend lässt sich zusammenfassen, der Roman „Raubfischer in Hellas“ kann als eine Art alternativer Lebensentwurf zur kulturell – industrieller Moderne gelesen werden. Er führt die Lebens- und Gedankenwelt der Wandervogel- und Jugendbewegung fort, relativ unberührt von der Realität des Nationalsozialismus und des Faschismus. Im Gegensatz zu den anderen Reiseromanen junger Autoren der dreißiger Jahre, kehrt der Held in Helwigs Roman nicht zurück, sondern kehrt dem faschistischen Deutschland den Rücken zu.

In einer Studie zu den Reiseromanen der 30er Jahre stellt Johannes Graf fest, die Helden reisen und kehren zurück und reflektieren dabei und damit ihr Verhältnis zu Deutschland. (Johannes Graf: Die notwendige Reise. Stuttgart 1995)

Dagegen endet Helwigs Roman: „Nebeneinander stehend fuhren wir langsam in die leere Helle des Ostens.“ (Werner Helwig S.190)

 

Dieser ideologisch – geistesgeschichtliche Hintergrund des Schrifstellers Werner Helwig und seiner Hellas Trilogie war dem griechischen Autor Kostas Akrivos vollkommen unbekannt. Er spricht weder Deutsch, noch hat er tiefere Kenntnisse der deutschen Literatur. Er wurde in einem Dorf des Pilion geboren und lebt in Volos als Lehrer.

Als Schriftsteller faszinierte ihn das Leben des Alfons Hochhauser, der nach seinem Tod im Jahre 1981 bei den älteren Leuten des Pilions zu einer Legende geworden war. Akrivos wählt die Form des dokumentarischen Romans, der ihm die Möglichkeit gibt, literarisch das Lebens Hochhausers und zugleich seine eigene Recherche darüber darzustellen.

Der Roman ist eine Collage von literarisch – fiktiven Texten, echten und fiktiven Dokumenten. Um  davon einen Eindruck zu vermitteln, zitiere ich kurz den Beginn des Romans.

„Samstag, 16. Dezember. Morgendlicher Lauf auf dem Hügel Goritsa. Das winterliche Wetter, der Berg im Nebel, die Dörfer Portaria und Makrinitsa hinter Wolken verborgen, hebt meine Laune. Schnee liegt in der Luft. Das Kafeneion von Anavros hat zu dieser Zeit nur wenige Besucher, das erspart mir die ansonsten zahlreichen Begrüßungen.

Ich setze mich in meine gewohnte Ecke und blättere in den Zeitungen. Am interessantesten ist die Beilage der Tageszeitung Ta Nea …… der Journalist berichtet dort über das abenteuerliche Leben eines merkwürdigen Mannes. Aufmerksam beginne ich zu lesen.

Die Geschichte des Alfons Xenophon Clemens Hochhauser

Alfons wurde im Mai 1906 in Österreich geboren …..“

Im Rahmen seiner Recherche trifft der Ich–Erzähler auf Alfons Stieftochter Eleni Vorre. „ Frau Eleni lebt im Erdgeschoss eines zweistöckigen Hauses, das ein prächtiger Garten umgibt. Hier wurde Alfons beherbergt, wenn er in die Stadt kam. Sie selbst betont mit Nachdruck, nie wollte er im Haus schlafen, er nahm sein Bettzeug und ging nebenan in den Lagerraum. Er war ein merkwürdiger Mensch. Aber zugleich umgänglich, gutherzig, ein starker Charakter und ein kräftiger Mann, doch häufig angespannt und unruhig, sehr unruhig. Das sind ihre eigenen Charakterisierungen.“ (Kostas Akrivos S. 29)

Den Ich–Erzähler beschäftigt die Frage, war Alfons ein Nazi, als er 1941 als Dolmetscher der Wehrmacht nach Griechenland zurückkam.

Negative wie positive Einschätzungen hat der Ich – Erzähler dazu gehört. Er kommt zu dem Ergebnis: „Er war kein Nazi.“  (S.99) Er läßt Alfons reden: „Aber ein Großteil des schlechten Geredes über mich stammte von den griechischen Kollaborateuren. Von ihnen wurden gegen mich Anklagen bei meinen Vorgesetzten erhoben, dass ich gefährdeten Griechen oder sogar Widerstandskämpfern gegen die Wehrmacht helfe. So ganz Unrecht hatten sie damit natürlich nicht.“ (S.98)

Und abschließend: „Eins kann ich jedoch guten Gewissens behaupten: Ich habe nicht getötet, nicht gefoltert und nie einen Griechen denunziert.“ (S.99)

Zwei unterschiedliche Schriftsteller aus zwei sehr unterschiedlichen Kulturkreisen mit vollkommenen verschiedenen weltanschaulichen Hintergrund hat das Leben des Alfons Hochhauser so sehr fasziniert, dass sie es, jeder auf seine Weise, literarisch verarbeitet haben. Ich möchte die Lektüre beider Romane empfehlen, denn zusammengenommen geben sie uns ein interessantes Bild der griechischen Provinz im 20. Jahrhundert, indem sie uns mit literarischen Mitteln die nicht minder interessante Biographie des Alfons Hochhauser vermitteln. Bei Akrivos heißt es: „ Wie du siehst, er war ein Prophet, ein besonderer Mensch. … Er sagte, es wird der Tag kommen, an dem unser Dorf in Müll ersticken werde, und das trat ein. Und, dass alles zubetoniert werde, auch das passierte. Wir sollten den Strand von Kuluri schützen. Aber wir haben Hand angelegt und uns dabei ins eigene Fleisch geschnitten. Heute findest du keinen Mensch mehr wie den Alfons.“ (S. 17)

Werner Helwig, der den Helden seiner Griechenlandtrilogie um einige Jahre überlebte, schrieb zum Tod von Hochhauser in seinem Nachruf: „Alfons, großer Kamerad, ich rufe dir jenes Wort nach, das ich an deiner Seite kennenlernte und das den einfachen Menschen im damaligen Piliongebiet geläufig war: Solange einer von uns lebt, leben wir beide.“

* Im April 2016 wurden die drei Romane der sog. Hellastrilogie im S.Fischer-Verlag neu aufgelegt. Fast alle Werke Helwigs sind auch antiquarisch im Online-Handel erhältlich, z.B. bei booklooker.de

 

 

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